Wo erfährt man als erstes, was in der Welt passiert? Natürlich bei Facebook. Jacko tot, der erste Schnee des Jahres, Guido Westerwelle spricht deutsch – ohne Facebook wüsste ich bis heute nichts davon. Dann neulich: die 1210er sollen eingestellt werden. Zuerst habe ich es bei Till gelesen. Er war in die Gruppe „Save Technics 1210’s“ eingetreten. Ich trat dann auch gleich ein, weil ich mag 1210er und besitze sogar zwei davon. Eigentlich besteht für mich also gar kein Grund, dieses Gerät zu retten, aber in meinem ersten Impuls, dieser wichtigen Bewegung beizuspringen, habe ich daran gar nicht gedacht. Dann hat Adam noch gepostet, dass er es nicht einsieht, etwas über den Tod der Techniks Plattenspieler zu posten, er das aber trotzdem Scheiße findet. Dieser gerissene Hund. Aber was war eigentlich passiert? Tatsächlich weiß es niemand so genau. Aus Gerüchten und halboffiziellen Meldungen wurde ein Neuigkeitenwert geformt, der durch den Druck sozialer Netzwerke wie Facebook oder Twitter in Windeseile ans Ziel gepeitscht wurde. Im Prinzip ein Glücksfall fremdgenerierter (?) Public Relations für Panasonic, die Mutterfirma hinter Technics. Denn du weißt ja, was passiert ist, als Sigmar Gabriel das Ende der Glühbirne an den Horizont zeichnete – die Hamsterkäufe gingen los. Ich hatte auch kurz überlegt, mir noch schnell fünf Dutzend 1210er in die Abstellkammer zu stellen. Aber leider habe ich gar keine Abstellkammer. Wie dem auch sei. Prophezeite Warenknappheit kurbelt den Umsatz an und deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass es nach wie vor kein offizielles Statement von Firmenseite gibt.
Wenn aber tatsächlich die Produktion eingestellt werden sollte, dann ist das eine völlig nachvollziehbare geschäftliche Entscheidung. Ein 1210er hat in etwa die Lebenserwartung einer Riesenschildkröte und so innig für viele DJs und Musikliebhaber die Zuneigung zum Vinyl auch ist, in der Praxis wird diese Art von Tonträger immer verzichtbarer. Der leichte Anstieg der Vinyl-Albumverkäufe im Vergleich zu dem drastischen Einbruch der CD-Umsätze ist begrüßenswert, er ist jedoch in sich als Nischenerscheinung limitiert. Im Clubbetrieb und bei den 12inch-Verkäufen wird es diesen Anstieg nicht geben. Platten werden durch die mittlerweile fast perfekte Vinyl-Emulation neuer CD-Player und den praktischen Vorteilen von CDRs immer weiter in die Bedeutungslosigkeit abgedrängt werden. DJ Tiesto geht mittlerweile sogar so weit zu sagen: „For DJing, vinyl is a nightmare.“ Gut, DJ Tiesto ist, mit Verlaub, ein Trottel und so einfach und komfortabel das Auflegen mit MP3s auch ist – für jeden, der das Auflegen mit Platten erlernt hat, ist das Vinyl das Primärmedium. Allerdings lernt heute kaum noch jemand mit Vinyl aufzulegen. In fünf Jahren wird Vinylmixen eine reine Nostalgieübung sein. Und ob man es will oder nicht, in der Club-Standardausstattung wird der 1210er von Pioneer CDJ-Playern abgelöst werden. Die Nachfrage nach DJ-Plattenspielern wird sukzessive sinken und irgendwann wird der Punkt erreicht sein, dass der 1210er keinen ökonomischen Nutzen mehr verspricht und die Serienproduktion endet. Dann wird es wieder viele Facebookgruppengründungen geben. Wenn es Facebook dann überhaupt noch gibt. Zum Glück liegt die Halbwertzeit von sozialen Netzwerken unter der von Turntables. Ich geh dann jetzt mal eine Platte auflegen und schwelge im Augenblick, der die gute alte Zeit von morgen sein wird.
